Book Review of Die Wut, die bleibt
Die Wut, die bleibt: Ein Programm für Wut und das Unbehagen unserer Gesellschaft
Als ich das erste Mal von Die Wut, die bleibt von Rhiannon Fallwickl hörte, war ich sofort fasziniert. Ein Buch, das sich mutig mit Themen wie Feminismus, Gewalt und der komplexen Beziehung zwischen Männern und Frauen auseinandersetzt? Das klang nach einer literarischen Herausforderung, der ich mich unbedingt stellen wollte. Trotz der (vermutlich) großen Diskussionen, die noch ausstehen, hat das Buch in mir eine Flut an Emotionen und Gedanken ausgelöst, die ich gerne mit euch teilen möchte.
Die Geschichte beginnt dramatisch: Helene begeht Suizid und hinterlässt drei Kinder sowie einen Ehemann, dessen Beziehung zu ihr in einem erschütternden Licht erscheint. Die Erinnerungen, die durch die Augen von Tochter Lola und ihrer Freundin Sarah geschildert werden, offenbaren die düsteren Abgründe einer patriarchalischen Gesellschaft, die Helene nicht nur emotional, sondern letztlich auch psychisch zerbrochen hat. Lola, eine 15-jährige Protagonistin, wird zur Stimme einer neuen feministischen Generation, die vom „fortgeschrittenen Feminismus“ 2022 geprägt ist. Während ich die Entwicklung von Lola verfolgte, fragte ich mich immer wieder: Ist dieser neue Weg des Feminismus tatsächlich notwendig?
Fallwickls Schreibstil ist sowohl eindringlich als auch herausfordernd. Die innere Monologe zeigen die Zerrissenheit der Charaktere, aber manchmal fühlte ich mich auch überfordert. Besonders die detaillierte Schilderung der Rückkehr zur Mutterschaft durch Sarah war so intensiv, dass ich die Last der Verantwortung fast physisch spüren konnte. In diesen Abschnitten blitzen Fallwickls Stärken auf, und ich konnte nur bewundern, wie sie das Chaos im Leben einer Mutter in Worte fasst. Ich fand es stark, dass Sarah im Zentrum dieser enormen Herausforderungen steht, aber ich kann nicht umhin zu sagen, dass die Männerfiguren oft kaum mehr als klischeehafte Karikaturen waren. Die Abwesenheit komplexer männlicher Charaktere hat mich irritiert und dazu gebracht, Fallwickls Intentionen infrage zu stellen.
Ein Zitat, das mir besonders im Gedächtnis blieb, war: „Sie glaubt, sie ist die Angreifende, nicht die Angegriffene.“ In einer Welt, in der viele von uns den gesellschaftlichen Druck und die Erwartungen spüren, fand ich diese Aussage besonders bedrückend und aufschlussreich. Die transformierenden Momente in Lolas Entwicklung, in denen sie sich ihrer eigenen Wut hingibt, sind bedeutungsvoll, aber sie werfen auch essentielle Fragen auf: Wo endet der Feminismus und wo beginnt die Gewalt?
Trotz meiner vielen kritischen Gedanken fand ich, dass Fallwickl einen wichtigen Dialog anstoßen möchte. Sie thematisiert sexistische Strukturen, die tief in unserer Gesellschaft verwurzelt sind und stellt damit grundlegende Fragen über Gleichberechtigung und Verantwortung. Aber warum so oft in einer einseitigen, fast schockierenden Weise? Die expliziten Gewaltszenen und deren Inszenierung hinterlassen ein mulmiges Gefühl und führen dazu, dass ich mich mehrmals fragte, ob dies die gewünschte Wirkung erzielen soll.
Wer dieses Buch lesen sollte, sind all jene, die bereit sind, sich intensiv mit den Premieren und Fallstricken des modernen Feminismus auseinanderzusetzen. Die Wut, die bleibt könnte sowohl ein Katalysator für Diskussionen als auch eine spannende, wenngleich kontroverse Lektüre sein. Für mich war es eine Reise durch emotionale Untiefen, die mir einmal mehr die Bedeutung von Empathie und Verständnis vor Augen geführt hat. Ja, wir leben im Feminismus, und er ist facettenreich – aber ob er tatsächlich den notwendigen Veränderungsprozess bringt, den Fallwickl sich wünscht, bleibt ein offenes Fragezeichen in dieser ergreifenden Erzählung.